Personalberatung für Technologie

14. Oktober 2014

Mitarbeiterbindung – Wer geht und wer bleibt

Autor: Dr.-Ing. Holger Strempel, Prof. Dr. Heiko Weckmüller

Der Fachkräftemangel erfordert einen hohen Aufwand, um geeignete Mitarbeiter zu gewinnen. Doch mit der Rekrutierung müssen Unternehmen zugleich an die langfristige Bindung der Mitarbeiter denken. Die Mitarbeiterbindung ist eines der wichtigsten Themen im Personalbereich. Angeheizt wird die Diskussion durch Mitarbeiterbefragungen, wie etwa die Forsa-Studie im Auftrag von Xing für das Jahr 2013, wonach 35 Prozent der aktuell Beschäftigten in den nächsten zwölf Monaten wechselbereit sind. Die Motive sind vielschichtig. So fanden die Berater von Gallup heraus, dass nur 16 Prozent der Beschäftigten eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber haben und, kritischer noch, 16 Prozent bereits innerlich gekündigt haben.

Man könnte also erwarten, dass ein Anstieg der Beschäftigungswechsel zu beobachten ist. Dennoch sind die tatsächlich vollzogenen Wechsel seit vielen Jahren konstant. Regelmäßig werden die Daten zur Dauer der Betriebszugehörigkeit nach der Beendigung von Arbeitsverhältnissen erhoben: Der Durchschnittswert beträgt etwa 48 Monate und zeigt sich seit über 20 Jahren stabil. Die sogenannte unabgeschlossene Betriebszugehörigkeit liegt bei 120 Monaten und zeigt sich über die letzten 20 Jahre ebenfalls weitgehend unverändert.

Analyse von Vermittlungsdaten

Der Fachkräftemangel und die Mitarbeiterbindung sind dennoch ein ernsthaftes Problem in einzelnen Berufsgruppen, wie zum Beispiel bei IT- oder Engineering-Positionen. Insgesamt sind die Anforderungen an die Mitarbeiterbindung vielfältig, sodass einfache Patentrezepte nicht zielführend sind. Für ein zielgerichtetes Bindungsmanagement ist es unerlässlich, die Ursachen zu ermitteln, aus denen heraus Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis beenden oder es durch den Arbeitgeber vorzeitig beendet wird. Die hierfür notwendigen Daten werden häufig aus Mitarbeiterbefragungen gewonnen, die jedoch die tatsächlichen Probleme verzerren können und oft ein sozial erwünschtes Antwortverhalten aufweisen. So spielt das Gehalt bei diesen Befragungen regelmäßig eine geringe Rolle. Stattdessen wird die soziale Reputation als Grund genannt, dem aktuellen Arbeitgeber langfristig verbunden geblieben zu sein.

Für unsere Untersuchungen konnten wir Daten auswerten, die aufzeigen, welche Arbeitsverhältnisse tatsächlich Bestand haben. Analysiert wurden mehr als 1100 Arbeitsverhältnisse, die zwischen 2008 und 2012 geschlossen wurden. Die Besetzung erfolgte durch die Vesterling Personalberatung, wodurch die auswertbaren Datensätze besondere Charakteristika auf der Angebots- und Nachfrageseite aufwiesen: Das einstellende Unternehmen erwartete Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung und beauftragte daher ein auf das Recruiting spezialisiertes Unternehmen. Die potenziellen Kandidaten hatten ihre Profildaten hinterlegt (insgesamt mehr als 150 000 Kandidatenprofile), was eine höhere Wechselneigung der registrierten Kandidaten vermuten ließ. Folgende Grunddaten konnten wir ermitteln: Bei Vertragsabschluss waren die Mitarbeiter im Durchschnitt 36,1 Jahre alt. Das vermittelte Durchschnittsgehalt lag bei etwa 60 000 Euro. Es handelte sich weitgehend um IT-Fachkräfte und 84 Prozent wiesen einen Hochschulabschluss auf.

Darauf aufbauend wurden Faktoren ermittelt, die mit einer höheren und einer geringeren Beschäftigungsstabilität verbunden waren. Zum Stichtag 30. Juni wurde überprüft, ob der Mitarbeiter noch bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist. Um über den Betrachtungszeitraum eine vergleichbare Messung der Mitarbeiterbindung zu gewährleisten, wurde als abhängige Variable definiert, ob das Arbeitsverhältnis nach 24 Monaten noch bestand. Dies traf im Durchschnitt auf 82 Prozent der vermittelten Kandidaten zu.

Zuwanderung und die Anwerbung ausländischer Fachkräfte gelten bei den politischen Entscheidern als ein gutes Mittel, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. Unternehmen in Deutschland zögern jedoch, IT-Kräfte aus dem Ausland anzuwerben. Laut einer aktuellen Bitkom Umfrage scheuen die Unternehmen besonders die bürokratischen Hürden, einen höheren Rekrutierungsaufwand und die unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse der potenziellen Bewerber. Unsere Analyse zeigt allerdings, dass die tatsächliche Anwerbung ausländischer Fachkräfte – Mitarbeiter nicht deutscher Herkunft; die Nationalität wurde über die Muttersprache operationalisiert – vorteilhaft für ein Unternehmen sein kann.

Die vermittelte Gruppe weist einen um vier Prozentpunkte erhöhten Wert auf, länger als 24 Monate beim Arbeitgeber zu bleiben. Das Durchschnittsgehalt beim Einstieg liegt rund 5000 Euro unter dem der muttersprachlichen Fachkräfte. Diese Differenz lässt sich nicht durch Alters und Bildungsunterschiede erklären, denn hier sind beide Gruppen homogen. Weiterhin war es wenig überraschend, dass die Daten eine geringere Vermittlungswahrscheinlichkeit für ausländische Bewerber aufwiesen als bei den muttersprachlichen Bewerbern. Diese Ergebnisse könnten eine Motivation für die einstellenden Unternehmen sein, ihr Rekrutierungsverhalten gegenüber ausländischen Bewerbern zu überdenken.

Bindung bei jüngeren Arbeitskräften höher

Unter dem Stichwort Generation Y wird seit einigen Jahren ein genereller Wertewandel in der Gesellschaft und der Arbeitswelt diskutiert. Der Begriff der Generationeneffekte fasst systematische Einstellungsveränderungen zusammen, die auf gemeinsame Erfahrungen in der Jugend zurückzuführen sind. Der Generation Y (nach 1980 Geborene) wird dabei nachgesagt, im Vergleich zu ihrer Vorgängergeneration weniger Wert auf Geld und Karriere zu legen, dafür aber der Work-LifeBalance eine größere Bedeutung beizumessen. Auch seien die Mitarbeiter dieser Generation weniger an langfristigen Beschäftigungsverhältnissen interessiert und würden bei Unzufriedenheit den Arbeitgeber schneller wechseln.

Bleibewahrscheinlichkeit

Um Einstellungsveränderungen im Generationenvergleich seriös untersuchen zu können, bedarf es Längsschnittuntersuchungen, bei denen die arbeitsbezogenen Wertvorstellungen der Generation Y mit den Wertvorstellungen der Vorgängergeneration verglichen werden, die diese vor 20 Jahren geäußert haben. Nur so ist eine Trennung von Alters- und Generationeneffekten methodisch möglich. Diese Längsschnittuntersuchungen zeigen, dass sich die arbeitsbezogenen Wertvorstellungen im Generationenvergleich kaum unterscheiden. Der diskutierte Generation-YEffekt ist somit weitgehend ein Mythos. Der vorliegende Datensatz lässt keine Längsschnittuntersuchung zu. Betrachtet werden können aber die Altersunterschiede. Dabei zeigt sich, dass die Beschäftigungsverhältnisse bei jüngeren Arbeitnehmern stabiler sind als bei älteren: Die Gruppe der unter 35-Jährigen weist eine um drei Prozentpunkte höhere Bleibewahrscheinlichkeit auf als die Gruppe der über 35-Jährigen. Dieser Effekt ist unabhängig vom gewählten Cut-off-Punkt, das heißt, er ist auch stabil, wenn eine andere Altersgrenze zur Gruppenbildung gewählt wird.

Höhere Bindung bei Umzug

Die Bedeutung des Unternehmensstandortes für die Arbeitgeberattraktivität ist der Faktor, bei dem Unternehmensvertreter dem größten Irrtum unterliegen. Während junge Bewerber dem Standort eine vergleichsweise hohe Priorität beimessen, unterstellen Unternehmensvertreter, dass dieser eher weniger wichtig ist. Wie wirkt sich die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsort auf die Mitarbeiterbindung aus? Differenziert wurde danach, ob ein Umzug wegen des Beschäftigungswechsels wahrscheinlich ist. Operationalisiert wurde die Entfernung zwischen Wohnort und neuem Arbeitsort über die Postleitzahl. Wir gingen von einem Umzug aus, wenn der neue Arbeitsort in einem anderen Bundesland lag (erste Ziffer der Postleitzahl) und es sich zudem nicht um zwei aneinandergrenzende Kreise (zweite Ziffer der Postleitzahl) in unterschiedlichen Bundesländern handelte. Beispielsweise wurde bei einem Arbeitnehmer aus Köln mit neuem Arbeitsort Berlin ein Wohnortwechsel unterstellt, nicht aber bei einem Wechsel nach Gummersbach oder Düsseldorf. Es zeigt sich eine höhere Mitarbeiterbindung von fast drei Prozentpunkten, wenn der Beschäftigungswechsel mit einer Wohnsitzverlegung verbunden ist. Vom täglichen Pendeln ist hingegen ein negativer Einfluss zu erwarten. Gerade bei Arbeitgeberwechseln innerhalb des Bundeslandes entstehen längere Fahrtzeiten zwischen Arbeits- und Wohnort, deren Auswirkungen sich die Arbeitnehmer erst im Zeitverlauf bewusst werden.

Eine weitere Gruppe von Arbeitnehmern wurde näher betrachtet, die im Zuge des Arbeitgeberwechsels in bekannte Metropolen umgezogen ist. Arbeitnehmer, die in die Landeshauptstädte München, Berlin oder Stuttgart ziehen, weisen eine geringere Bindungswahrscheinlichkeit auf als solche mit Arbeitsverhältnissen außerhalb dieser Metropolen. Zwei gegenläufige Effekte dürften hier zum Tragen kommen: So kann der Unternehmensstandort und die damit erhoffte Steigerung der Lebensqualität eine Motivation für den Arbeitgeberwechsel gewesen sein. Diesem positiven Effekt steht jedoch ein größeres Angebot alternativer Stellenangebote gegenüber, was einen späteren Wechsel erleichtert. Nicht feststellbar ist ein genereller Mobilitätszuschlag beim Grundgehalt: Das verhandelte Einkommen ist unabhängig von der Entfernung zwischen aktuellem Wohnort und zukünftigem Arbeitsort.

Mitarbeiterbindung im Konjunkturverlauf

Abschließend haben wir eine Verbindung zwischen der konjunkturellen Situation bei Vertragsabschluss und der Beschäftigungsstabilität hergestellt. Zur Messung der konjunkturellen Situation wurde das Ifo-Geschäftsklima im Dienstleistungssektor zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgewertet. Es zeigt sich eine positive Korrelation zwischen konjunktureller Lage und der Beschäftigungsstabilität. Berechnet wurde zunächst der Mittelwert des Geschäftsklimasaldos zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für alle Beschäftigungsverhältnisse, die länger als zwei Jahre bestehen. Dieser beträgt 14. Zum Vergleich: Für Beschäftigungsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren beendet wurden, beträgt der Wert 11. Der Befund ist auch stabil, wenn statt des Geschäftsklimas die Geschäftssituation oder die Geschäftserwartungen betrachtet werden. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur Hypothese, dass Beschäftigungsverhältnisse stabiler sind, wenn sie in Krisenzeiten geschlossen werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Personalpolitik ist nicht nur die Gewinnung geeigneter Mitarbeiter, sondern eine langfristige Bindung an das Unternehmen. Durch unsere Untersuchungen konnten wir die Paarungen AusländerInländer, jünger – älter und Pendeln-Umzug identifizieren, die einen Einfluss auf die Bleibewahrscheinlichkeit zukünftiger Mitarbeiter haben. Auch wenn sich nur selten die betrachteten Faktoren überlagern, können sie, zumindest statistisch gesehen, die Bleibewahrscheinlichkeit um bis zu sechs Prozentpunkte erhöhen oder anders formuliert, die Fluktuationswahrscheinlichkeit um rund ein Drittel senken.

Quelle: Abdruck mit freundlicher Genehmigung der www.personalwirtschaft.de

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